Wie ihr bestimmt schon festgestellt habt beschäftige ich mich mittlerweile hauptsächlich mit der Peoplefotografie, im speziellen das fotografieren von Models.
Ich möchte hier mal ein paar Gedanken und Hintergründe dazu loswerden, die euch vielleicht helfen, besser damit umzugehen.
Es geht hier insbesondere um das was vor dem Shooting passiert, weniger währenddessen.
Gleich vorweg muss ich erwähnen, dass ALLE Models mit denen ich fotografiert habe mich technisch vorangebracht haben und durchweg supernette und liebe Menschen sind.
Der Artikel hier enthält auch einige alte oder sogar nie veröffentlichte Bilder, also nicht wundern…
Oft bekomme ich die Fragen wie z.B. „Wie findest du denn eigentlich immer alle diese hübschen Models?“ oder Aussagen wie „Mit so nem Model ist es auch nicht schwer gute Bilder zu kriegen!“ zu hören.
Natürlich ist man hilfsbereit und gibt seine Tips dazu aber viele sind enttäuscht, denn die Antwort fällt dabei gar nicht mal nicht so klar aus, wie man meinen mag.
Meine Models muss auch ich erst finden und auch das ist nicht so einfach, wie ihr auch feststellen werdet, solltet ihr das betreiben wollen.
Viele fangen erstmal mit engen Freunden oder Verwandten an. Das ist auf jeden Fall schonmal ganz gut, vor allem um etwas Übung zu bekommen, wie z.B. passt meine Art zu fotografieren beim Fotografieren von Menschen, oder muss ich mich total umgewöhnen.
Für jemanden wie mich war das ne ziemliche Katastrophe, denn ich kenne meine Kamera hauptsächlich aus der Architektur- und LostPlace-Fotografie.
Es funktioniert eigentlich nicht, oder nur in seltenen Fällen, dass man mit ungeübten Personen als ungeübter Fotograf richtig schöne Bilder rausbekommt.
Deshalb war hier auch viel Photoshop am Werk, das ich auch nur mäßig beherrschte.
Man muss allerdings auch dazu sagen, dass ich vermutlich auch einfach zu viel von mir selbst erwartet habe.
Daher auch der Entschluss, wenn ich nicht geübt bin, muss ich mir jemanden mit zumindest etwas Übung holen.
Doch dass das so schwer wird hätt ich nicht gedacht.
Also habe ich mich mal in der einen oder anderen Facebook-Model-Fotografen-Gruppe und in der Modelkartei angemeldet. Während ich auf die Verifizierung und Freischaltung gewartet habe, stellten sich mir schonmal die ersten Fragen:
„Wie schreib ich denn ein Model überhaupt an?“ und „Wie zum Geier find ich die richtigen Models?“
Zunächst einmal muss man sich klar werden, was man überhaupt möchte und welches Art Model man shooten möchte, also welche Leistungen man braucht.
Ich wage mich hier mal etwas weiter auszuholen, denn DAS zu wissen ist der erste wirklich wichtige Schritt.
Es mag nicht immer stimmen, aber ich versuche euch mal einen groben Anhalt zu geben, welche Models, also mit welcher Erfahrung, ihr fragen könntet.
Wie alles hängt es davon ab, was ihr bereits könnt und was ihr machen wollt.
- Null Ahnung oder gerade mal ein paar Bilder mit der Kamera gemacht ⇒ gar kein Model, setzt euch erstmal mit der Kamera auseinander
- Ahnung von der Kamera, aber nicht viel Erfahrung in keinem Bereich ⇒ erfahrenes Pay-Model
- Sicherer Umgang mit der Kamera und einige Erfahrung in Bereichen abseits der People Fotografie: zum Testen ob es was für euch ist ⇒ erfahrenes Pay-Model bei z.B. einem Modelsharing
- mit Wunsch Portfolioaufbau ⇒ erfahrenes Pay-Model
- mit cooler und bestimmt interessanter Idee ⇒ erfahreneres Hobby-Model (TfP)
- ohne Anspruch auf gute Bilder ⇒ irgendein Hobby-Model (TfP)
Bevor jetzt bei manchem Leser die Schnappatmung einsetzt, ich meine das alles definitiv nicht abwertend.
Aber was meine ich dann damit?
Also erfahrenes Pay-Model versteht sich ja fast von selbst. Ihr bezahlt ein Model, das euch a) gefällt und b) genug Erfahrung hat, dass sie das bestimmt gut umsetzen kann.
Schaut hierfür durchs Portfolio und versucht euch nicht von den Bildern an sich ablenken zu lassen, sondern schaut auf das Model selbst.
Wichtig ist hierbei auch der Stil des Models und ihre Wandelbarkeit, z.B. ob sie eigentlich fast ausschließlich sinnlich wirkt oder fast ausschließlich sexy, oder ob sie beides davon gut beherrscht.
Hier entscheidet lediglich euer Geschmack und die Preisvorstellung.
Ich möchte euch jetzt allerdings keine „sinnvollen“ Preise nennen. Die Models legen ihren Wert selbst fest. Viele Models sind echt klasse und arbeiten schon für 30€ die Stunde und berechnen Fahrtkosten wie jeder andere Dienstleister, andere Models verlangen 500-2000€ und shooten nur bei Ganztagesbuchung.
Das schwankt echt sehr stark.
Erfahrungswert ist aber, dass 2h für das erste Shooting reichen sollten und ihr euch an einem Stundenpreis orientiert.
Und JA, Models die viel, sogar teils sehr viel Erfahrung mitbringen verlangen eben Geld für ihre Dienstleistung.
Aber warum jetzt überhaupt ein Model bezahlen?
Die Frage stellt sich mir immer öfters und ich muss sagen, je länger ich das mache, desto mehr empfehle ich Pay-Models, gerade für Anfänger.
Ganz wichtig ist dabei der Punkt, dass ihr gegenüber niemandem außer euch selbst eine Verpflichtung eingeht, gute Bilder in einer bestimmten Zeit zu liefern. Das Model hat ihr Geld und somit auch keinen Anspruch auf Bilder von euch.
Zusätzlich könnt ihr zu fast 100% zuverlässiges und professionelles Verhalten erwarten. Eine entsprechende Auswahl an Klamotten und die Fähigkeit zum selbständigen Makup gehören auch immer dazu.
Erfahrene Models verstehen das Licht und die Lichtsetzung und können auch gut auf Details beim Posing selbst achten und vermeiden von Haus aus unansehnliche Dinge wie Doppelkinn, gepresste Oberarme, gequetschte Oberschenkel, abgewinkelte Hände, Druckstellen an Fingern oder Haut.
Ihr könnt euch also voll aufs Fotografieren und das Umsetzen eurer Idee konzentrieren. Wenn ihr dann letztendlich nicht nur unscharfe Bilder produziert, sollten mindestens 10% echt ansehnliche Bilder, und somite eine echt gute Auswahl, dabei entstehen.
Gerade wenn ihr vorhabt euch noch öfters in dem Bereich zu bewegen und euch ernsthaft ein Portfolio aufbauen wollt, ist meiner Meinung nach ein Pay-Model immer die beste Wahl.
Achja, wenn ihr so 3-5 finale Bilder habt, empfehle ich euch, die dem Model auch irgendwann zukommen zu lassen.
Öfters als ihr denkt gefallen diese Bilder den Models sogar und durch Posten auf ihrer Page machen sie somit auch gleich Werbung für euch. Bei guten Models versteht es sich übrigens auch von selbst, dass sie euch verlinken, und wenn auch nur als Denkeschön.
Da wir Deutschen in einer Geiz ist Geil Gesellschaft leben, erwähne ich es nochmal explizit:
Scheut euch nicht davor, anfangs in ein gutes Model zu investieren.
Ihr investiert nämlich damit auch in euch, also in Wissen und in ein gutes Portfolio.
Denkt einfach mal daran, wie viel Geld große etablierte Firmen in Marketing und Forschung/Entwicklung investieren.
Kein Frust, kein Ärger, viele gute Bilder und eine echt angenehme Atmosphäre, weil die Models da auch sehr geduldig sind, heißt es macht auch noch Spaß sich zu verbessern.
Ein Modelsharing funktioniert da etwas anders.
Wie der Name bereits sagt, wird das Model, oder besser die Shootingzeit mit ihr, sowie ihre Gage, geteilt.
Man zahlt bei organisierten Sharings dafür, dass ein gutes Model, zusammen mit einem Thema an einer bestimmten Location mit Visagistin organisiert wird. Für sein Geld bekommt man dann einfach Zeit unter idealen Rahmenbedingungen, wie z.B. ein komplett ausgestattetes Studio, zu shooten.
Man kann sich natürlich auch selbst ein Model organisieren und die kosten mit anderen Fotografen teilen. Die Zeit mit dem Model wird quasi aufgeteilt, genau wie ihre Gage.
Wo wir gerade bei der Organisation sind, wenn ihr natürlich eine geniale Location und/oder eine echt ausgefallene Idee habt, könnt ihr mit dieser Idee auch bei erfahreneren Models für ein TfP-Shooting werben.
Wenn man Glück hat, erwischt man das Model dann mit der richtigen Idee zur richtigen Zeit.
Allerdings ist die Anzahl der Absagen schon echt frustrierend.
Was ist jetzt dieses TfP und wieso macht man das?
TfP entstand zu der Zeit, als Bilder noch entwickelt wurden und bedeutet „Time for Prints“.
Der Hintergedanke dabei war, dass man als Fotograf mal schnell ein paar Aufnahmen machen wollte und dem Model als Belohnung fertige Abzüge gegeben hat.
Bedeutet also, dass das keineswegs kostenlose Arbeit des Models war. Durch die Digitalisierung ging der Gedanke immer mehr davon weg und hin zu einem „So komm ich an kostenlose Dienstleistung“ Gedanken. Das geht sogar soweit, dass Brautpaare anfragen, ihre Hochzeit auf TfP-Basis fotografieren zu lassen.
TfP ist meiner Meinung nach als gegenseitige Dienstleistung zu verstehen. Jeder wirft seine Menge an Material, Erfahrung und Erwartung in die Waagschale und wenn sich beides ungefähr die Waage hält shootet man zusammen. Beide opfern ihre Zeit und investieren somit; als Bezahlung fließen dann die Bilder. Der Fotograf investiert recht viel materielles, wie z.B: Equipment oder Lizenzen, das Model mit Klamotten oder Makeup materiell eher weniger, auch wenn das Zeug teils echt teuer ist.
Die Belohnung ist neben den Bildern dann auch ein gewisser Erfahrungs- und Erlebniswert verbunden mit neuen Kontakten.
Oft argumentieren Fotografen damit, dass sie aber deutlich mehr Zeit in das Shooting investieren und vergessen, dass sie durch das Model den deutlich höheren Werbefaktor haben. Letztendlich entscheidet jeder selbst wie viel er in die Waagschale wirft, entweder es passt dann und man einigt sich, oder eben nicht.
Man kann sich schon denken, dass das stark von der Selbsteinschätzung abhängt die nicht immer zutrifft, weswegen sich letztendlich viele über diese Thematik so aufregen. Da es auch hier um eine Art der Bezahlung geht gilt auch hier der Grundsatz:
„You get what you pay for“, du bekommst also nur wofür du auch bezahlst.
Sinnvollerweise werden solche TfP-Shootings vertraglich besiegelt und festgelegt, wo, wie, wer, was veröffentlichen darf, wieviele Bilder es in welchem Zeitraum gibt.
Mein Vertrag regelt einen absoluten Worst Case. Ich werde da jetzt keine Details nennen, möchte aber unbedingt darauf hinweisen, dass die meisten der online verfügbaren Verträge rechtlich nicht unbedingt sauber und sehr leicht juristisch anfechtbar sind, trotzdem geben diese Verträge allen beteiligten eine gewisse Sicherheit und man kann sich später auch mal darauf berufen.
Wenn es trotzdem mal zu einer richtigen juristischen Auseinandersetzung kommen sollte, ist immernoch die beste Möglichkeit, alles nach Möglichkeit zu entfernen und sich gegenseitig die Nutzung zu verbieten.
Ich persönlich mach mir dahingehend also auch keinen Stress mehr.
Urheberrecht ist echt ein umfassendes Thema und vielleicht findet sich ja mal ein Jurist, der das möglichst einfach und verständlich in einem eigenen Blogeintrag erklären kann.
Kommen wir zu den Hobbymodels…
Jeder kann sich denken, dass die Spanne hier sehrsehr breit gefasst werden kann.
Das geht von professionalität auch im Hobby bis zu absoluter Unzuverlässigkeit und sozialer Unfähigkeit, von schön bis hässlich (was jeder anders sieht und wo jeder einen anderen Gechmack hat, klingt hart, aber das Aussehen hat nunmal diese Spannweite). Dazu kommt, dass man auch mit sehr viel unprofessionellem Verhalten rechnen sollte, wie zu spät kommen, Absagen in letzter Sekunde oder einfach gar kein Erscheinen, sowie auch nach dem Shooting mit den Bildern einfach nicht vertragsgemäß umgegangen wird. Ich sag dazu nur Instagramfilter…
Von der anderen Seite aus muss man auch verstehen, dass sich einige Fotografen dem ganzen ziemlich angepasst haben und diverse Modelplatformen als Kontaktbörse missbrauchen oder anderes, teils schlimmeres, unprofessionelles Verhalten an den Tag legen.
Oftmals sind die ersten Shootings auch sehr holprig, weil sich jeder vom anderen mehr erhofft hat und die Bildausbeute ist dabei echt mager. Bei meinem ersten Modelshooting waren es drei brauchbare Bilder.
Trotzdem findet man auch hier echte „Perlen“ oder besser „ungeschliffene Diamanten“.
Models, die Talent für Bewegung haben, super wandelbar sind, auf ihre Weise superhübsch sind, und die einfach perfekt passen. Die Auswahl ist einfach megagroß, man muss nur viel Zeit in die Suche investieren oder Glück und Geduld haben…
Dabei muss nicht immer alles passen.
Meiner Meinung nach muss ein Model lediglich menschlich und zum eigenen Vorhaben passen.
Was interessieren die Maße, wenn das Gesicht superhübsch ist und ich eh nur Portraits machen möchte, was interessiert mich die Bikinifigur, wenn doch sowieso Winter und das Model bedeckt ist?
Da ist mir außerdem tausendmal wichtiger, wie und wie schnell melden sich die Model zurück und wie wichtig ist ihnen das Shooting mit mir.
Mit etwas Fingerspitzengefühl kriegt man das ziemlich schnell raus.
Grundsätzlich geb ich euch noch einige Tips zur Modelfindung mit auf den Weg:
- schaut euch die Portfolios genau an
- schaut, ob das Model die Idee nicht bereits umgesetzt hat
- geht auf ihre Ideen ein und bietet ihr eine Alternative zu eurer Idee (Geben und Nehmen)
- sucht erstmal in eurem Umkeis, oftmals verstecken sich da schon einige Juwelen (Modelkartei ganz gut machbar)
- sammelt Beispiele und Ideen um den Models zu zeigen, was ihr ungefähr wollt (vorsicht, bei öffentlichen posts Urheber- und Quellenangaben beachten)
- packt in euer Portfolio immer nur eure besten Bilder
- Akzeptiert Ablehnungen, egal wie sie rüber kommen (GANZ WICHTIG)
- Rechnet damit auch überhaupt keine Antwort zu bekommen (ca. 50% aller Anfragen)
- Ein Anschreiben beinhaltet aus Höflichkeit immer:
korrekte Anrede (falls möglich)
kurze Beschreibung eines selbst
was hat man vor?
wo hat man das vor?
wann ca. hat man das vor?
Preisvostellung oder TfP?
Die Punkte sind variierbar, aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass Höflichkeit und Freundlichkeit immer das A und O sind, um überhaupt eine Antwort zu bekommen
Wenn ihr das jetzt bis hierher durchgelesen habt, stellt ihr bestimmt fest, dass man sein Portfolio komplett auf TfP-Basis aufziehen kann.
Das stimmt und habe ich auch so gemacht.
Allerdings hatte ich auch viel Glück und auch viele Tiefschläge erfahren.
Wer sich schnell und gut ein tolles Portfolio aufbauen möchte investiert am Anfang in 1-2 ggf. auch 3 gute Pay-Shootings und hat sich relativ stressfrei ein ansehnliches Portfolio erarbeitet ohne die ganzen Enttäuschungen und tausendfachen Anschreiben mitzunehmen.
Ihr investiert das Geld eben in euch und eure seelische Unversehrtheit…
Wenn ihr einfach eher geizig seid, macht euch auf eine stressige Anfangsphase gefasst, denn wie gesagt, bei TfP haben die Models einen Anspruch auf die Bilder und werden nicht zögern euch daran zu erinnern. Zurecht!
Achja, je nachdem was ihr euch zutraut, aber wenn ihr vollzeit berufstätig seid und noch einen Partner habt, nehmt euch lieber mal nur 1 Shooting im Monat vor. Plant das gut und bereitet es sauber nach. Die Zeit reicht dann gerade um dem Model genug Bilder fertig zu machen.
SO, DAS MODEL IST GEFUNDEN
Was jetzt?
Weiter gehts im 2. Teil…