Was ist Langzeitbelichtung eigentlich und wie mache ich das am besten?

Ich möchte hier mal ganz von vorn anfangen, oder zumindest fast. Es soll hier echt um Basics gehen, die die Grundlage zu neuer Gestaltung vermitteln.
Warum? Weil ich durch die erste Langzeitbelichtung sehr viel über meine Kamera lernen konnte ohne dabei Stress zu haben und auch die Angst vorm Manuellen Modus verloren habe.

Ich fange hier also mal ganz gezielt mit der Langzeitbelichtung an.

Bevor ich mir Gedanken mache, was ich alles brauche, muss ich wissen, was die Langzeitbelichtung ausmacht und warum ich überhaupt so lange belichten muss/sollte.

Eine Langzeitbelichtung ist also eine Belichtung die besonders lange dauert, aber ab wann spreche ich von einer Langzeitbelichtung?

Für mich beginnt die Langzeitbelichtung dann, wenn die Verschlusszeit so lang ist, dass ich die Kamera nicht mehr ruhig genug halten kann um ein scharfes Bild zu bekommen. Das ist je nach Zustand und Können unterschiedlich und kann bei 1/6s oder bereits bei 1/30s beginnen. Ich lasse jetzt hierbei mal die Brennweitenregel außer acht (normalerweise gilt die Faustformel 1/Brennweite als maximale Verschlusszeit am Vollformat um nicht zu verwackeln) Ich belichte aber auch „hörbar“ lange, also eher klick…klick als das gewohnte klickklick.

Man kann das allerdings nicht nur für zu dunkle Situationen einsetzen, sondern auch stilistisch, z.B. bei Wasserfällen, oder um Menschen „weg“ zu fotografieren, und natürlich noch vieles mehr.

 

Universitätsbrunnen München

Kann ich denn die Bilder dann nicht einfach mit höherer ISO fotografieren?

Ja und Nein. Klar kann man natürlich die ISO erhöhen, dadurch entsteht allerdings technisch bedingt Bildrauschen, welches sich nicht besonders gut entfernen lässt. Oftmals erlaubt die Kamera gar nicht, die ISO genug zu erhöhen, dass das Bild dann gut belichtet ist.

Für mich gilt eigentlich grundsätzlich, dass die ISO nur dann erhöht wird, wenn ich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft habe. Es macht also Sinn, die mir zur Verfügung stehende lange Belichtungszeit auch zu nutzen, damit das Bild möglichst rauschfrei bleibt.

Zudem werden häufig hohe Blendenzahlen benötigt, was einen nochmal schneller an diese Grenzen bringt.

Aber wenn ich die Bilder ja nicht mehr wackelfrei mit der Hand schießen kann, wie mache ich dann die Bilder?

Natürlich braucht ihr dann ein Stativ. Welches Stativ ist fürs erste Mal eigentlich egal, leiht euch ggf. erstmal eines, damit ihr mal schauen könnt, ob euch das Thema auch liegt. Solltet ihr euch eines kaufen, kauft euch kein billiges Stativ und lasst euch vernünftig beraten.

(günstig ist nicht stabil oder nicht leicht – leicht ist nicht stabil oder nicht günstig – stabil ist nicht günstig oder nicht leicht)

Wenn ihr dann ein Stativ habt, womit dann anfangen?

Ich empfehle euch für sowas immer: „Geht mit Freunden raus und macht das draußen“

Am besten sind tatsächlich immer kleine Gruppen, von 2-4 Personen.

Überlegt euch ne Tour oder etwas das ihr machen wollt. Es geht erstmal nicht um stilistische Langzeitbelichtungen, sondern einfach nur um Fotografieren da, wo es eigentlich zu dunkel ist. Meine ersten Langzeitbelichtungen waren mit einem Freund bei einer Tour durch München, wo wir einige wenige Sehenswürdigkeiten fotografiert haben. Wählt Orte, an denen noch etwas Licht vorherrscht, z.B. durch Straßenlaternen oder Gebäudebeleuchtungen. Nehmt das Weitwinkligste Objektiv, das ihr habt. Normalerweise ist das Kit-Obkjektiv ausreichend.

Bevor ich den Auslöser drücke gibt es einiges zu beachten:

  • Bildstabilisator aus (grundsätzlich IMMER, wenn man mit Stativ fotografiert)
  • Manuellen Fokus eistellen (meist zu dunkel für Autofokus)
  • Manuellen Modus wählen (ihr wollt ja auch richtig belichten)
  • ohne Fernauslöser den Selbstauslöser einstellen
  • Belichtungsmessmethode einstellen (Ich verwende hierbei die maximale Messung, also Mehrfeldmessung bei Canon)
  • LiveView (oder wie das bei euch heißt) einstellen, damit ihr was seht

Wie gehe ich jetzt das mit den Einstellungen an?

Zunächst stelle ich, wie bereits erwähnt, den Selbstauslöser ein. Dieser ist bei mir voreingestellt auf 2 Sekunden. i.d.R. reicht das um das Stativ auspendeln zu lassen.

Zum Ausrichten verwendet euer Auge, die Hilfslinien im Display (müssen ggf. aktiviert werden) und/oder eine Wasserwage (am Stativ, in der Cam oder als Gadget auf dem Blitzschuh der Cam).

Wenn die Kamera ausgerichtet ist, wähle ich mir am Display den Punkt aus, auf den ich scharfstellen möchte. Bei mir funktioniert das mit dem Wahlkreuz eigentlich ganz gut.

Dann wähle ich grob die Richtung aus, in die ich fotografieren möchte und stelle erstmal grob scharf am Objektiv, damit ich auch die Kamera richtig ausrichten kann.

Um das Bild jetzt knackscharf zu bekommen, müsst ihr jetzt zoomen. Dabei passt man die Schärfe und den richtigen Punkt bei jedem Zoomfaktor neu an.

Mit etwas Übung könnt ihr auch gleich in der maximalen Zoomstufe scharfstellen. Wenn ihr also jetzt in die Grundeinstellungen geht habt ihr ein super fokussiertes Bild mit dem richtigen Bildausschnitt und könnt euch der Belichtung widmen.

Hier versteckt sich bereits eine der ersten Fehlerquellen, denn was passiert, wenn mir nur ein dunkles Display angezeigt wird? Dann habt ihr vermutlich noch den Deckel auf dem Objektiv, die Anzeige versehentlich ausgeschaltet oder die automatische Belichtungsanpassung im LiveView Modus aktiviert und einfach noch zu dunkel belichtet.

Bitte nicht gleich abschalten, denn dieser hat enorme Vorteile und wenn ihr ihn nicht aktiviert habt, solltet ihr das sogar tun.

Das Bild auf dem Display passt sich dann der eingestellten Belichtung an, also einfach zuerst richtig belichten und dann ausrichten.

 

Wie belichte ich denn hierbei richtig?
Zunächst einmal wähle ich die Blende aus. Normalerweise braucht ihr bei Langzeitbelichtungen etwas höhere Blendenzahlen, also deutlich geschlossene Blenden im Bereich F/8 – F/10, um möglichst viel Schärfe in der Tiefe zu bekommen.
Danach stelle ich die ISO erstmal auf den Wert 100, damit das Bild möglichst rauscharm wird. Nun stelle ich die Verschlusszeit ein und kommen wir zu dem Punkt wo es mehrere Möglichkeiten beim Einstellen gibt:

a) im LiveView Modus bleiben und die richtige Belichtung anhand der Displayanzeige einstellen, oder
b) die mittlere Belichtungsstufe verwenden, oder (Anzeigen in allen Displays)
c) die mittlere Belichtungsstufe im LiveView verwenden. (muss ggf. aktiviert werden)

Viele haben sich bereits schon des öfteren gefragt, was das für eine komische Anzeige mit den Balken ist, und warum da manchmal einer der Balken sich so verschiebt.

Diese Skala legt, vereinfacht ausgedrückt, die als korrekt gemessene Belichtung (via Grauwert) zugrunde und erweitert diese Messung um mehrere Blendenstufen nach links (dunkel/schwarz) und rechts (hell/weiß).

Ein beweglicher „Balken“ zeigt die gemessene Belichtung am Sensor. Das heißt konkret: ist der Balken zu weit links, ist das Bild zu dunkel, ist er zu weit rechts ist das Bild zu hell.

Wichtig: Das heißt nicht dass das Bild heller oder dunkler nicht vielleicht sogar schöner ist, denn Grundlage ist eben die Messung und nicht das Empfinden des Fotografen.
Man sollte allerdings auch wissen, dass zu dunkel schlechter in der Software korrigierbar ist, als zu hell. Solltet ihr also im RAW Modus fotografieren und nachbearbeiten, lieber etwas zu hell fotografieren. (Extreme solltet ihr trotzdem vermeiden)

Diese Anzeige verwendet ihr am besten, um eure Belichtungszeit einzustellen.
Wenn ihr also die Belichtungsdauer nun erhöht, sollte entweder das Bild am Display heller werden oder der Balken sich irgendwann auf die Mitte zubewegen.
Seid ihr bei der maximalen Belichtungszeit angelangt und das Bild ist immernoch zu dunkel, müsst ihr entweder die Blende etwas öffnen, was sich aber auf die Schärfe in der Tiefe auswirkt, oder die ISO erhöhen.
Ich empfehle, erstmal die ISO um 1-2 Stufen zu erhöhen. Sollte es bei ISO 400 noch nicht ganz reichen, könnt ihr ggf. die Blende etwas öffnen oder eben auf ISO 800 gehen. Die richtige Mischung obliegt dann euch. Bitte scheut euch nicht davor die ISO zu erhöhen. Bis 400 erkennt man bei vielen Kameras noch nicht mal das Rauschen, höhere Werte als 1000 solltet ihr dann allerdings auf jeden Fall vermeiden und durch Blende und Dauer ausgleichen.

 

 

Manchmal bewegt man sich total an der Grenze     30s – F/8 – ISO 400   und danach   ISO 6400

Mir ist vor allem bei der Belichtung die Anzeige für die mittlere Belichtung echt wichtig, gerade wenn es sehr dunkel ist.
Zudem wird diese Anzeige auch für Belichtungsreihen wieder wichtig.

Wenn ihr nun den Auslöser drückt, öffnet sich nach bestimmter Zeit der Verschluss für die festgelegte Dauer und das Bild wird erzeugt.

Mit etwas herumprobieren klappt das dann meist auch mit der richtigen Belichtung.

Ganz wichtig, nehmt euch die Zeit, die ihr benötigt und gebt diese besonders in Gruppen auch den anderen, wenn diese nicht schnell genug sein sollten.
Deshalb auch am besten möglichst kleine Gruppen und noch besser unter Freunden bleiben die ersten Male.

Meiner Meinung nach gibt es nur noch wenige entspanntere Arten zu fotografieren.

Hier hab ich mal obiges als Checkliste zusammengefasst:

– Stativ verwenden
– Am Objektiv Stabilisator aus und Manuellen Fokus einstellen
– im Kameramenü (falls möglich) Spiegelvorauslösung aktivieren
– Manuellen Modus einstellen
– Mehrfeldmessung einstellen
– Selbstauslöser nach Zeit einstellen
– Dateiformat RAW einstellen ggf. hier die Belichtungsreihe aktivieren
– ISO auf 100
– Liveview aktivieren
– Bild ausrichten
– Fokusbereich wählen
– Scharfstellen im Zoom
– Blende einstellen
– Zeit einstellen, bis Belichtungsmessung auf gewünschten Wert
– abdrücken
– kontrollieren
– freuen und weitermachen

Ich habe bei meiner Kamera die Möglichkeit sog. Custom Modi (C1-3) einzustellen.
Einer davon ist mit den o.g. Voreinstellungen belegt und ich muss nur noch am Rädchen drehen.
Ein Erfahrungswert hat gezeigt, dass eine Blende von F/10 und eine Zeit von 5 Sekunden als Voreinstellung ideal sind, wenn man Architektur mit Langzeitbelichtung bei Dunkelheit fotografiert.

Wenn ihr nun die eine oder andere Langzeitbelichtung durchgeführt habt und euch auch schon etwas mit Bearbeitungsprogrammen auskennt, so werdet ihr feststellen, dass es Bilder gibt, bei denen entweder in der Dunkelheit etwas fehlt oder zu wenig Struktur vorhanden ist, oder die hellen Bereiche einfach extrem überbelichtet sind.

Wie man hier weitermacht erfahrt ihr im nächsten Part: Volles Potential bei Langzeitbelichtungen